Ich bin Studienleitung des primärqualifizierenden Studiengangs „Angewandte Hebammenwissenschaft“, der sich an Schulabgänger*innen richtet und Studienleitung des Studiengangs „Hebammenwissenschaft – Handlungsfelder und Professionsentwicklung“, für bereits examinierte Hebammen, die mit dem Abschluss eine wissenschaftliche Qualifikation erwerben.
Ich war selbst 20 Jahre als Hebamme im gesamten Spektrum der Hebammenarbeit tätig . Daneben verfüge ich über Expertise als Psychologin mit eigener Praxis um angehenden und examinierten Hebammen Kenntnisse zu spezifischen Herausforderungen in der Betreuung von Frauen und Paare im Übergang zur Elternschaft zu vermitteln.
Da Hebammen ein breites Betätigungsfeld während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Elternzeit haben, unterrichte ich die Studierenden zu allen notwendigen Themen, um Frauen und Familien professionell zu begleiten und ihr berufliches Handeln auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Gleichzeitig gebe ich als Hebamme Wissen weiter, welches schon seit Jahrtausenden vorhanden ist.
In den letzten Jahren hat sich das Kompetenzprofil einer Hebamme sehr erweitert. Während früher Hebammen meist nur klinisch tätig waren oder maximal 10 Tage nach der Geburt in der Wochenbettbetreuung agierten, haben sie heute einen größeren Betreuungsbogen. Sie können bereits ab der Familienplanung mit ihrer Arbeit beginnen, betreuen Schwangerschaften und führen Vorsorgeuntersuchungen durch. Auch die Zeit der Wochenbettbetreuung hat sich immens verlängert. Hebammen können Frauen und ihre Familien bis zum Ende der Stillzeit betreuen. In manchen Fällen betreut die Hebamme aber auch bis zum ersten Geburtstag des Kindes.
Als Hebammen müssen wir evidenzbasiert arbeiten. Das bedeutet, ich muss als Hebamme gegenüber der Frau und ihrer Familie, aber auch mir selbst gegenüber begründen warum ich etwas tue.
Neben meiner Lehrtätigkeit beschäftige ich mich auch mit der Forschung. Aktuell befinden wir uns in der Startphase des Projekts „VRUME – Virtual reality as a useful tool on the way of the Transition of Midwifery Education”. Im Rahmen dieses Projektes möchten wir erforschen, ob es möglich ist, die sehr zeit- und personalintensive Lehre im Skills Lab der Hebammen in eine virtuelle Realität zu übertragen. Ziel ist es, den Kompetenzerwerb angehender und examinierter Hebammen auch an Orten sicherzustellen, die nicht über die an der htw saar praktizierte Form der Lehre verfügen. Hier denken wir insbesondere an Länder mit einer hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrate von Säuglingen und Frauen unter der Geburt. Gerade hier ist es notwendig passende Ausbildungs- und Schulungsangebote bereitzustellen.
„Keinen besseren Ort für ein Studium“
Es ist wichtig, dass Hebammen in der akademischen Ausbildung reflektierte Praktikerinnen und Praktiker sind. Deshalb kooperiert die htw saar im Studiengang Angewandte Hebammenwissenschaft auch mit unterschiedlichen Kliniken im Saarland und Rheinland-Pfalz, ebenso mit freiberuflichen Hebammen und Hebammenpraxen. Dort können die angehenden Hebammen ihr an der Hochschule erworbenes Wissen an Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und deren Familien unter der Begleitung von Hebammen und weiteren Fachpersonen anwenden und erleben die Faszination dieses Berufes.
In der hochschulischen Ausbildung von Hebammen gilt es auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen zu forcieren und deshalb könnte es für den Studiengang Angewandte Hebammenwissenschaft keinen besseren Ort für ein Studium geben. Schließlich treffen wir hier auch auf die Pflege- und Gesundheitswissenschaften, die Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit. All diese Berufsgruppen sind ebenso in der Betreuung von Frauen, Männern, Kindern, Familien tätig. So haben wir uns an der htw saar breit aufgestellt.
Examinierte Hebammen der htw saar, haben eine lebenslange berufliche Perspektive in verscheiden Bereichen. Rund um die Geburt sind Hebammen tätig in Kliniken, entweder angestellt oder als Beleghebammen, in Geburtshäusern und in der Hausgeburtshilfe. Oder man entschließt sich zur selbstständigen Arbeit in eigener Hebammenpraxis mit Schwangerenvorsorge und Wochenbettbetreuung, diversen Kursangeboten, wie Geburtsvorbereitungskurse, Rückbildungskurse und vieles mehr. Neben der Ausübung in der originären Hebammentätigkeit nach Abschluss des Studiums, bietet sich aber auch die Möglichkeit weitere Karrierewege innerhalb der Hebammenwissenschaft einzuschlagen – zum Beispiel eine Ausbildung als Familienhebamme anzuschließen, einen Masterabschluss zu erlangen oder ein Promotionsstudium fortzuführen. Oder aber man entschließt sich zur Arbeit im Ausland. All dies ist mit einem Bachelorabschluss nun möglich!
„Die Studierenden sind aktive Partner im Lernprozess“
Die Grundlagen schaffen wir an der htw saar dadurch, dass wir in erster Linie eine anwendungsorientierte Hochschule sind, die sich zur Sicherung der Qualität von Studium und Lehre an Best Practice-Lösungen im Hochschulbereich ausrichtet. Wir lernen anhand von Evaluationen und aus unseren Erfahrungen und suchen nach stetiger Verbesserung. Dabei sind die Studierenden aktive Partner im Lernprozess. Und da auch bereits examinierte Hebammen als Studierende zu uns kommen, ist die htw saar eine Hochschule für lebenslanges Lernen.
Neben klassischen Vorlesungen und Seminaren gibt es vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten der Lehre, die sich positiv auf das Lernverhalten und die Leistungen von Studierenden auswirken können.
Es muss das Ziel sein wieder mehr Hebammen auszubilden. Mit der Akademisierung im Hebammenwesen erlebt der Beruf der Hebamme eine Aufwertung und wird attraktiver. Mit dem Studium Angewandte Hebammenwissenschaft an der htw saar verfügen die Studierenden nach sieben Semestern über einen Bachelorabschluss und einen Berufsabschluss. Die Kombination bietet viele Vorteile. Hebammen erwerben umfassende Kompetenzen entlang des Betreuungsbogens und können sich entsprechend ihren persönlichen Ambitionen positionieren. Forderungen nach höherer Entlohnung lassen sich eventuell so eher umsetzen.
Durch die Zunahme an wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn in der hochschulischen Ausbildung und der evidenzbasierten Arbeit an den Praxisorten während des Studiums, gelingt es den beruflichen Anforderungen der Gegenwart gerecht zu werden und langfristig die Qualität in der Hebammenarbeit zu sichern. Mit der Akademisierung kann die Hebammenwissenschaft ihre spezifische Weltsicht niederschreiben, und Forschung betreiben.
Dazu tragen auch die modernen Lehrmethoden an der htw saar bei. Denn neben theoretischen Lehrveranstaltungen haben wir einen weiteren Lernort, das Skills Lab, in dem wir den Studierenden einen idealen Theorie-Praxis-Transfer bieten. Die standardisierte Vermittlung praktischer Fertigkeiten in Kleingruppen nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Im Skills Lab gibt es unterschiedliche Trainingsarten mit Hilfe von Low- und High-fidelty-Simulatoren. Neben einzelnen Skills, werden gleichermaßen Handlungsabläufe, die je nach Kenntnisstand in der dazugehörigen Komplexität variieren, erlernt und trainiert. Simulationseinheiten verlaufen in der Regel immer nach ein und demselben Schema und haben auch zum Ziel, in der Simulation Fehler machen zu dürfen, die an der realen Schwangeren oder Wöchnerin und ihrem Neugeborenen vermieden werden sollten. Die Feedbackfunktion hat in diesem Prozess einen besonderen Stellenwert. Wir legen hier den Grundstein für ein nachhaltiges Fehlermanagement bereits früh im Studium und definieren Patient*innensicherheit als das höchste Gut unseres professionellen Handelns. Mit diesen Kompetenzen gehen dann unsere Studierenden gut gerüstet in ihre praktischen Einsätze in den jeweiligen kooperierenden Kliniken.
Gemeinsam mit unseren Studierenden besuchen wir auch Hebammenkongresse und bieten damit eine weitere Möglichkeit der Enkulturation in der Profession der Hebamme über die Grenzen des Studiums hinaus. Die Studierenden können sich mit Studierenden anderer Hochschulstandorte und Hebammen aus ganz Deutschland austauschen.
„Dem Ursprung nach ist Geburtshilfe eine solidarische Hilfe“
Durch internationale Forschungsprojekte, in denen sich die Studierenden von Anfang an beteiligen können, bietet sich die Chance auch die Herausforderungen der Hebammenbetreuung in anderen Ländern dieser Erde in den Blick zu nehmen. Dabei sind wir bestrebt, auch Seminare im virtuellen Format anzubieten, die wir z.B. gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden unserer Partnerhochschule in Namibia gestalten So fördern wir den internationalen Austausch.
Der Austausch hilft uns auch, uns auf die Ursprünge zu besinnen. Denn dem Ursprung nach ist Geburtshilfe eine solidarische Hilfe, die sich Frauen gegenseitig leisten. Heutige Hebammen sind Fachpersonen rund um Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach, überall auf der Welt. Sie verstehen sich als Fürsprecher*innen der schwangeren und gebärenden Frauen und Mütter. Eine achtsame und fundierte evidenzbasierte Betreuung von Beginn der Schwangerschaft an ist ein gesellschaftlich relevanter Beitrag zur Frauen- und Familiengesundheit. Denn durch eine kompetente Hebammenbegleitung wird das zukünftige, gesundheitliche Wohlergehen von Mutter, Kind und Familie gestärkt. Ich verstehe dies gleichzeitig als gesellschaftlichen Auftrag.
Für mich ist der Beruf der Hebamme der schönste Beruf der Welt! Denn als Hebamme darf ich den Beginn des neuen Lebens begleiten. Mit diesem Beginn sind für mich stets Visionen verbunden, die mich fortwährend beflügeln!